U. v. Beckerath

8.12.31.

Ihr Bf. vom 6.12.31.

 

Lieber Herr Rittershausen,

 

Der Umstand, dass die Schecks, aehnlich wie die Noten der alten Privatnotenbanken mal ein Disagio bekommen koennen , ja - sogar oft haben werden - ist keine Gefahr fuer das System, sondern im Gegenteil, das grosse und unentbehrliche Sicherheitsventil. Die Hauptsache ist nur, dass eine Stelle da ist, vor allem die Emissionsbank selbst, welche die Schecks bzw. Noten gegen sich zu pari als Zahlungsmittel gelten lassen muss. Dieser letztere, in der ganzen neueren Volkswirtschaftslehre unbeachtete, aber entscheidende Unstand ist es, welcher dafuer sorgt, dass das Disagio sich nie lange haelt. Die Schuldner der Bank besorgen sich dann naemlich schleunigst die billig gewordenen Zahlungsmittel und geben sie zu pari an die Bank, welcher sie verschuldet sind, weiter. Verdaechtig wird die Sache nur, wenn ein betraechtliches Disagio laengere Zeit bemerkbar ist, und sich doch keine Bankschuldner auf dem Notenmarkt bemerkbar machen, welche dieses Disagio ausnutzen. Dann besteht der Verdacht einer Inflation.* (Ob z. Zt. in England eine Inflation besteht, weiss ich nicht, vorlaeufig stehe ich immer noch vor einem Raetsel.) (richtig: Ueberemission. JZ.)

Ein Disagio, welches so klein ist, dass es sich fuer die Schuldner nicht verlohnt, es auszunutzen, wird wohl immer bestehen, sich im Kleinverkehr allerdings nicht bemerkbar machen. Auch vor dem Juli 1931 zeigte ja jeder Kurszettel irgendein kleines Disagio von Noten einer vollkommen intakten Waehrung gegenueber dem Metall. (Pfundnoten hatten z.B. schon vor dem Kriege fast immer ein kleines Disagio gegenueber Goldmuenzen, ebenso schweizerische Noten.) Aber im Kleinverkehr merkte man nichts davon, weil das Disagio zu klein war.)

Aus Vorstehendem folgt, dass eine Stuetzungsaktion im Falle eines Disagios ueberfluessig ist. Eine mehr scheinbare und wirkliche Ausnahme kann stattfinden. Es kann naemlich geschehen, dass die Schuldner der Bank ein paar Monate lang mit Vorliebe ihre Schulden mit Landesgeld zurueckzahlen anstatt mit Noten ( in unserm Falle mit Schecks ). Dann muss die Emissionsbank das Landesgeld ueberall da einsetzen, wo ein Disagio in die Erscheinung tritt. Darueber hinaus braucht sie in keinem Falle zu gehen, und wenn der Kurs noch so tief sinkt. Letzteres kann bei richtiger Termindisposition nur auf Stunden, allenfalls Tage stattfinden.

-------

Die Krisis von 1857 (In New York taegliches Geld ein Prozent taeglich Zins!) konnte durch keine Reform im Notenbankwesen erleichtert werden. Wenn einer Geld mit einer Kuendigungsfrist von 3 Monaten hereinnimmt und legt es in Haeusern an, dann ist er in dem Falle, wo der erste sein Geld wieder haben will, verloren, ganz gleichgueltig wie die Geldverhaeltnisse im Lande sind. Nur im modernen Europa, da kann er zur Regierung rennen und sagen:  Seht - Die Goldwaehrung hat wieder mal versagt!!!  Ich natuerlich, ich habe nicht versagt!!! Aber dass ich Gold zahlen muss, das ist die Gemeinheit!!  Neue Waehrung her !!!!

-------

Schecks in dem Sinne an die Goldmark zu binden, dass jeder fuer RM 279.-  in Schecks 100 Gramm Gold kriegt, das ist nicht moeglich.  Aber dem Besitzer die Moeglichkeit zu geben, dass er 100 Gramm Gold seiner Schulden mit RM 279.- in Schecks bezahlen kann, das ist moeglich. Warum? Weil das Wesen der Scheckbank (ebenso wie einer guten Notenbank) ein Clearing fuer kurzfristige Schulden ist.

-------

Die Unsitte, kurzfristige Depositen hereinzunehmen und sie langfristig anzulegen, ist ganz unabhaengig vom Notenmonopol und wird durch dieses weder beguenstigt noch erschwert. Ich habe sogar den Eindruck, dass schon im Altertum gerade diese Unsitte eine Hauptursache der schlechten Lage der Schuldner war . Der "Trapezoide"  (hiess der "Wechsler" damals nicht so???) nahm die Depositen ganz kurzfristig herein und kennte sie daher nicht langfristig ausleihen, so dass bei jeder Kuendigung von Guthaben der Schuldner des Trapezoiden erledigt war, denn  s o  schnell konnte er natuerlich nicht zurueckzahlen.  (Unterstreichungen von Ri.)  Unsere Historiker haben sich hiermit wenig beschaeftigt, allerdings die antiken Schriftsteller auch nicht, weil sie ja das kostbare Pergament brauchten  um der Nachwelt zu ueber liefern, dass z.B. der Ajax den Amphios, des Selagos Sohn, zustaendig in Paesos, abmurkste und traf ihn am Gurte   "dass tief in den Bauch eindrang die regende Lanze", Ilias, 5. Gesang, Vers 615, erbaulich zu lesen. (Die Hallunken!!)

-------

Welche Verwirrung dadurch entsteht, dass ein Schriftsteller die grundsaetzliche Verwerflichkeit von mit bestimmter Kuendigungsfrist hereingenommenen Depositen verkennt, ergibt sich aus den Darlegungen von S a g e h o t,   Lombardstreet, ueber die Liquiditaet, die heute noch als klassisch gelten, zitiert werden und 100 %-iger Unsinn sind. (Unterstreichung wieder von Ri., der auch am Rande vermerkte: Zit! - erled.)

-------

Was fuer Schecks und Banknoten gilt, das gilt auch fuer ein richtig emittiertes Staatspapiergeld, welches ich fuer ganz unentbehrlich halte. Auch ein solches Papiergeld kann nie tief unter pari sinken, wenn der Staat nicht mehr ausgibt, als seine Untertanen ihm fuer Steuern schuldig sind. Tritt einmal ein Disagio ein, so besorgt sich der Steuerschuldner das billig gewordene Staatspapiergeld und bezahlt damit seine Steuern zu (Dieser Paragraph war von Ri. stark angestrichen mit dem Vermerk: Zu Bankpolitik!) pari. Rascher, sicherer und billiger kann er sein Geld nicht verdienen!!

Auch eine "Stuetzung" von Staatspapiergeld ist daher nicht noetig, jedoch muss der Staat das von ihm vereinnahmte, eigentliche Waehrungsgeld ueberall und bestaendig da zum Ankauf seines Staatspapiergeldes verwenden, wo ein Disagio eintritt. Er konkurriert dann mit seinen eignen Steuerschuldnern, und das Disagio wird in wenigen Stunden verschwunden sein. Eine eigentliche "Stuetzungsaktion" ist das nicht.

-------

Dass Sie heute schon franzoesische Vortraege halten koennen, ist allerlei!! Das Thema ist sehr anziehend - - La Situation bancaire en Allemagne!!! Hoffentlich sagen Sie den Studenten, dass in Deutschland sonderbarerweise immer diejenige Waehrung "versagt", in welcher unsere "Grosskopfeten" etwas schuldig sind!!!!

-------

Walras schlug i. Ja. 1886 in der Revue scientifique ein Indexgeld vor. Welches je nach dem durchschnittlichen Preisstand durch Goldmuenzen, legiert mit Silber (mal mehr mal weniger ) realisiert werden sollte. Cheysson, Statistiker und Versich.-Mathematiker, antwortete alles, was man antworten kann. Will Sie jetzt nicht mit weiteren Angaben belaestigen, da es wohl z. Zt. ausserhalb Ihrer Sphaere liegt.

--------

 

Besten Gruss

Ihr

gez. U.v. Beckerath.

 

 

 

 

----------------

First published in: Ulrich von Beckerath: Zur Freiheit, zum Frieden und zur Gerechtigkeit; Gesammelte Briefe, Papiere, Notizen, Besprechungen. PEACE PLANS 428-467 (Mikrofiche), Berrima, Australia, 1983. Pages 268-269.